Film still aus „abarbeiten- über arbeiten”
Versteigerung einiger Artikel, Relikte, Reliquien und Memorabilien aus der Arbeitswelt
Eine dunkle Performance und meine letzte Performance, bevor aus Krankheitsgründen nichts mehr möglich war, 2015 entstanden in Zusammenarbeit mit Miriam Georger und Museum für Psychologie, REFO Berlin
Die Idee entstand nach jahrelanger Auseinandersetzung mit den schlechten Arbeitsbedingungen und den gesellschaftlichen Hintergründe. I am sad, I am bad and I am very glad about it! Nur durch Erkenntnis entsteht Veränderung. „abarbeiten“ lanciert den Ausverkauf der Arbeit und thematisiert mit dem Einsatz verschiedener theatraler und akustischer Mittel Geschichte, Konditionen, Hintergründe und aktueller Entwicklungen(ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Es werden Fragengestellt und über Zusammenhänge nachgedacht.
Tragisch – komisch – realistisch
Die Form wurde inspiriert durch die Beschäftigung mit der Schauspielerin Charlotte Charke (1713-1760) unter der zusammen mit dem Autor Henry Fielding das politische Theater in London eine kurze Blüte erlebte. Neue Theaterformen, so das absurde Spektakel oder die öffentliche Probe mit Diskussion der Darstellerinnen, wurden kreiert und verweisen ähnlich den Stichen von Hogarth auf die Scheinheiligkeit der Gesellschaft. In „Historical Register of the Year 1736“ spielt Charlotte Charke unter dem Namen „Mr. Hen“ einen stadtbekannten Auktionator. Dieser versteigert in dem Stück die Moral und hält der heuchlerischen und egoistischen Gesellschaft, in der alles käuflich ist, den Spiegel vor. „Der erste Posten, den Hen versteigert, ist „a most curious remnant of political honesty“, schon von vielen großen Männern als Festtagsanzug gebraucht, wendbar, von beiden Seiten (!) anzuziehen. Niemand will ihn haben, auch nicht zusammen mit einem „most delicate piece of patriotism“, auf dem Lande zu tragen. Es ist ebenso aus der Mode gekommen wie die drei Körnchen „modesty“. „One bottle of courage“ kauft endlich ein Schotte für 5 Shilling. „All the wit belonging to a composer of pantomimes and of political papers in defense of a ministry in three hundred volumes in folio“ werden erst gar nicht in Augenschein genommen, weil niemand außer den Theaterdirektoren etwas auf sie gibt, … „A very neat clear conscience“, nur von einem Richter und einem Bischof getragen, so gut wie neu, findet auch keinen Abnehmer, lieber möchten die Auktionsbesucher ihr eigenes Gewissen loswerden. … Posten Nr. 9, alle Kardinaltugenden, wird versehentlich für 18 Pence verkauft. …“ (Ruth Emde, Schauspielerinnen im Europa des 18. Jh., 1997, S. 115)
Unter dem herrschenden politischem Druck und Konservativismus gehörte viel Mut dazu, Witze auf Kosten der Regierung, der Kirche, der Justiz, der Presse, der Bürger, des Theaters auf die Bühne zu bringen. Kurze Zeit später tritt mit dem Licensing Act die Zensur des Theater in Kraft. Über 100 Jahre mussten 2 Wochen vor Auftreten alle Texte beim Lord Chamberlain (Haushofmeister) eingereicht werden. Fast alle Akteure des damaligen politischen Theaters wurden arbeitslos und mussten ihr restliches Leben mit diversen Jobs fristen.
Malah Helman: Studium Kunstwissenschaften, Darstellende Künste, seit 2005 eigene Projekte und Produktionen in den Community Arts (hier zwei bundesweite Auszeichnungen und div. Fachpublikationen); Arbeitsaktivistin.